Der erste Tag in der Reha-Klinik fühlte sich an, als hätte ich die Kontrolle über mein Leben abgegeben. Meine Beine schmerzten vom Treppenlaufen, die Schulter pochte nach der OP, und der Gedanke an die bevorstehenden Wochen ließ meinen Puls steigen. Genau deshalb entschied ich mich, ein Reha-Tagebuch zu führen – nicht nur als dokumentarische Sammlung von Übungen, sondern als emotionaler Anker während dieser intensiven Zeit der Veränderung.
Warum ein Reha-Tagebuch mehr als nur Dokumentation ist
Die Idee kam nicht von mir selbst. Meine Physiotherapeutin Lisa legte mir am zweiten Tag ein schlichtes Notizbuch auf den Nachttisch. „Schreib alles auf – die kleinen Fortschritte, die Rückschläge, deine Gedanken. Das Reha-Tagebuch wird dein persönlicher Wegbegleiter sein“, erklärte sie mit einem aufmunternden Lächeln. Anfangs skeptisch, begann ich widerwillig mit kurzen Einträgen.
Nach einer Woche bemerkte ich bereits, wie das Schreiben meine Wahrnehmung veränderte. Es ging nicht mehr nur um Schmerzskalen und Übungspläne. Mein Reha-Tagebuch wurde zum Spiegel meiner inneren Entwicklung. Die täglichen Einträge halfen mir, Muster zu erkennen – wann Schmerzen auftraten, welche Übungen besonders wirksam waren und wie meine Stimmung mit dem Genesungsprozess korrelierte.

Die Struktur meines Reha-Tagebuchs: Mehr als nur Daten sammeln
Anfangs dachte ich, das Führen eines Tagebuchs während der Rehabilitation bedeute lediglich, Termine und Übungen zu notieren. Doch ich erkannte schnell, dass ein gut strukturiertes Reha-Tagebuch viel mehr Dimensionen umfassen sollte. Meine endgültige Struktur entwickelte sich organisch und umfasste schließlich fünf Kernbereiche:
- Tägliche Befindlichkeit: Eine kurze Beschreibung meines körperlichen und emotionalen Zustands am Morgen und Abend
- Therapieeinheiten: Welche Übungen wurden durchgeführt, mit welcher Intensität und Wiederholungszahl
- Schmerzprotokoll: Wann traten Schmerzen auf, bei welchen Bewegungen, auf einer Skala von 1-10
- Kleine Erfolge: Täglich mindestens ein positiver Fortschritt, egal wie klein er erschien
- Offene Fragen: Was ich beim nächsten Gespräch mit Ärzten oder Therapeuten klären wollte
Besonders der Punkt „Kleine Erfolge“ erwies sich als psychologisches Kraftzentrum. An Tagen, an denen alles stillzustehen schien, blätterte ich zurück und sah schwarz auf weiß, wie weit ich bereits gekommen war – vom ersten selbstständigen Anziehen der Socken bis zum fünfminütigen Spaziergang ohne Gehhilfe.
Die emotionale Achterbahnfahrt festhalten
„Heute hasse ich diesen Ort. Ich will nach Hause.“ – Dieser Eintrag vom zwölften Tag meiner Reha spiegelt die emotionale Tiefe wider, die ein ehrliches Tagebuch erreichen kann. Die Rehabilitation ist kein linearer Prozess. Sie gleicht eher einer Achterbahnfahrt mit Höhen, Tiefen und unerwarteten Wendungen.
Mein Tagebuch wurde zum stillen Zeugen meiner Frustration, wenn Übungen nicht klappten oder Schmerzen zurückkehrten. Es fing meine Tränen auf, als ich nach drei Wochen zum ersten Mal alleine duschen konnte – ein Moment des Triumphs, der für Außenstehende banal erscheinen mag.
Die psychologische Betreuerin in der Klinik erklärte mir später, dass das Aufschreiben negativer Emotionen ihnen oft die Macht nimmt. „Was auf Papier steht, muss nicht mehr im Kopf kreisen“, sagte sie. Und tatsächlich: Nach besonders frustrierenden Tagen half mir das Schreiben, Abstand zu gewinnen und am nächsten Morgen mit klarerem Blick weiterzumachen.
Der Körper heilt in seinem eigenen Tempo. Das Reha-Tagebuch hilft dir, diesen Rhythmus zu verstehen und zu respektieren.
– Dr. Martina Weber, Rehabilitationsmedizinerin
Vom Patienten zum aktiven Gestalter der eigenen Genesung
In der vierten Woche meiner Rehabilitation bemerkte ich eine subtile, aber bedeutsame Veränderung in meinen Tagebucheinträgen. Die passive Sprache – „wurde behandelt“, „musste Übungen machen“ – wich aktiven Formulierungen: „Ich erreichte heute 15 Wiederholungen“, „Ich entschied mich für einen zusätzlichen Spaziergang“.
Diese sprachliche Verschiebung reflektierte meine veränderte Selbstwahrnehmung. Ich sah mich nicht länger als passiven Empfänger medizinischer Leistungen, sondern als aktiven Gestalter meiner Genesung. Das Reha-Tagebuch half mir, diese Entwicklung zu erkennen und zu verstärken.
Mein behandelnder Arzt bestätigte diesen Effekt: „Patienten, die ihre Rehabilitation aktiv mitgestalten und reflektieren, zeigen oft bessere Langzeitergebnisse. Das Tagebuch ist dabei ein wertvolles Werkzeug der Selbstermächtigung.“
Nach der Reha: Das Tagebuch als Brücke in den Alltag
Die letzten Tage in der Klinik waren von gemischten Gefühlen geprägt. Einerseits die Vorfreude auf das eigene Zuhause, andererseits die Sorge, ob ich die Übungen ohne professionelle Anleitung fortführen könnte. Mein Reha-Tagebuch wurde nun zum Transfermedium.
Gemeinsam mit meinem Physiotherapeuten erstellte ich einen detaillierten Übungsplan für die ersten Wochen zu Hause. Jede Übung fotografierten wir mit meinem Smartphone und klebten die Ausdrucke ins Tagebuch – ergänzt um persönliche Notizen zu Ausführung und Dosierung.
Diese visuelle Dokumentation erwies sich als unschätzbar wertvoll beim Übergang in den Alltag. Bei Unsicherheiten konnte ich nachschlagen, statt zu grübeln oder gar falsche Bewegungen auszuführen. Auch für die ambulante Weiterbehandlung bot das Tagebuch eine präzise Grundlage – mein neuer Therapeut konnte auf einen Blick erfassen, was bisher geschehen war.

Mein Fazit nach sechs Monaten
Heute, ein halbes Jahr nach meiner Entlassung aus der Rehabilitationsklinik, blättere ich durch die vollgeschriebenen Seiten meines Tagebuchs. Was als pragmatisches Dokumentationswerkzeug begann, hat sich zu einem wertvollen Zeugnis persönlichen Wachstums entwickelt.
Die chronologische Aufzeichnung meiner Rehabilitation zeigt nicht nur körperliche Fortschritte, sondern auch eine mentale Reise – von der anfänglichen Überforderung über Phasen der Frustration bis hin zur allmählich wachsenden Zuversicht. Besonders beeindruckend finde ich beim Rückblick, wie sich meine Schmerzwahrnehmung und mein Umgang mit Rückschlägen verändert haben.
Für alle, die vor einer Rehabilitation stehen oder sich mitten darin befinden, kann ich das Führen eines persönlichen Reha-Tagebuchs nur empfehlen. Es muss kein literarisches Meisterwerk sein – ehrliche Notizen, regelmäßig geführt, erfüllen ihren Zweck vollkommen. Das Tagebuch wird zum Spiegel deiner Entwicklung und zum Beweis dafür, dass Genesung möglich ist – auch wenn der Weg manchmal länger und kurvenreicher verläuft als erhofft.
Die wichtigste Erkenntnis aus meinem Reha-Tagebuch: Genesung ist nicht nur eine körperliche Reise, sondern ein ganzheitlicher Prozess, der Geduld, Selbstreflexion und aktive Mitarbeit erfordert. Das Tagebuch hilft, diesen Prozess bewusster zu gestalten und die eigenen Fortschritte wertschätzend wahrzunehmen – auch wenn sie zunächst klein erscheinen mögen.

Hey meine Lieben, ich bin Andrea. Ich arbeite als Psychologin und möchte diesen kleinen Blog nutzen um euch ein bisschen was mit zu geben auf dem weg zu mehr Selbstachtung und dem soooo einfachen Glücklich sein. Das ist mein erster Versuch mit einem Blog also seid bitte nicht so hart mit mir 🙂